Katholische Pfarrkirche St Silvester in Mittelstetten

KWürdigung1

Der Bau von St. Silvester ist eine gebietstypische spätgotische Kirche von eher geringen Ausmaßen (Breite 7,5 m) mit Sattelturm im Norden und abgetreppten Strebepfeilern am Chor. Das Langhaus weist keine auf, da es ursprünglich flachgedeckt war. Der Chor ist nicht eingezogen, aber durch den Triumphbogen innen doch klar abgetrennt, so dass Seitenaltäre davor Platz haben.

 

 

 

KWürdigung2Barockisierung
Nach Beschädigungen im Spanischen Erbfolgekrieg erfolgte um 1708 eine Erneuerung im Barock, von der sich das ehemalige Altarbild des Kirchenpatrons mit einer damaligen Ortsansicht erhalten hat, nun an der Nordwand. Heute lässt sich kaum mehr sagen, was bei der Barockisierung alles verändert wurde. Die Fenster hat man wohl verbreitert und am Turm korbbogig gestaltet. Da ein Deckenbild im Chor erwähnt wird, wurden dort die Rippen offenbar abgeschlagen, obwohl sich die jetzigen nicht erkennbar von original gotischen unterscheiden, während St. Margareth in Malching sichtlich ein neugotisches Rippengewölbe besitzt. Die Blattmasken an den Gewölbekonsolen sind somit auch eine historistische Zutat, die allerdings auch an mittelalterliche Beispiele anknüpft.

 

 

 

kwürdigung3Regotisierung
Die das heutige Erscheinungsbild bestimmende Maßnahme war die Regotisierung um 1895/97. Neben der Ausmalung und Neuausstattung umfasste sie auch eine Verlängerung der Kirche nach Westen. Wegen der danach zu gedrückten Proportionen entfernte man im Langhaus die Flachdecke samt Gemälde und öffnete den Raum mit einer flachen Spitztonne – eine in Süddeutschland sehr seltene Lösung.

 

 

 

Wandbild am Chorbogen
Kwürdigung4Auf die nun höhere Stirnwand malte Kaspar Schleibner (1863-1931) ein monumentales Bild in Tempera (keine echte Freskotechnik). Dieses ist formal an Szenen des Weltgerichts angelehnt, weicht aber im Personal, bis auf Christus und Maria, davon ab. Es zeigt mittig Christus als Weltenherrscher (Pantokrator) flankiert von seiner Mutter Maria und dem hl. Papst Silvester. Dieser ist hier an der Tiara und dem Papstkreuz mit drei Querbalken zu erkennen. Als Tierpatron, der einen Stier wieder zum Leben erweckt und gezähmt haben soll, ist er sonst meist mit einem solchen als Attribut versehen, nicht aber hier. Außerdem hat Silvester Kaiser Konstantin getauft, wovon sich aber in Mittelstetten keine Darstellung findet. Seitlich wird das Chorbogenbild erweitert von zwei Gruppen von Heiligen: zur Linken Florian, Patron in Feuer- und Wassernöten, die Augsburger Bistumspatrone Ulrich und Afra, dahinter der Hirtenpatron Wendelin mit Wurfschaufel. Rechts von Silvester folgen Notburga mit schwebender Sichel, Leonhard mit Kette und Abtsstab, Isidor mit Ährenbündel und Radegundis von Wellenburg mit einem Wolf. So werden sie in der Jahresmappe der Zeitschrift „Die Christliche Kunst“ von 1898 benannt, wo das Werk in Foto und Text kurz nach seiner Entstehung vorgestellt wurde.


Der Künstler Kaspar Schleibner
Sein Schöpfer Kaspar Schleibner stammte aus Hallstadt bei Bamberg, war in München ansässig und hatte ein Landhaus in Grafrath-Wildenroth, wo er auch für St. Rasso und die Kirche Höfen tätig war. Er schuf Fresken in der Pfarrkirche von Merching, in den Kapellen des Vincentinums München und der Klosterschule Grunertshofen (dort nicht erhalten), Altarbilder für die Annabasilika Altötting und Werke für zahllose weitere Kirchen Süddeutschlands, ja bis nach Osteuropa.

 

KwürdigungAltarausstattung
Von Schleibner stammen auch die Flügelbilder auf Goldgrund im Hochaltar von St. Silvester, die außen Passionsszenen für die Fastenzeit zeigen (Christus am Ölberg und Pieta), innen die Geburt Christi und das Pfingstwunder. Diese entstanden 1896, noch vor dem großen Wandbild. Während er in jenem die Figuren dem Stil der Dürerzeit annäherte, erinnert die Ölbergszene etwas an Bilder der Donauschule aus dem frühen 16. Jh., nur sind Details von Nähe besehen, etwa im Weihnachtsbild, doch spürbar gründerzeitlich. Die zwei inneren Szenen sind Reliefs und zeigen die Auferstehung und Himmelfahrt Christi. Der Altar wurde von der Baldauf’schen Kunstanstalt Augsburg gefertigt, die zu jener Zeit von Karl Port (1850-1916) geleitet wurde. Diese Werkstatt schuf auch die neugotische Ausstattung in Ottmaring sowie viele neubarocke Altäre für Kirchen im Bistum Augsburg.

 

Kwürdigung 8Auch Seitenaltäre und Kanzel mit ihrer reich durchbrochenen neugotischen Zier wurden Karl Port in Auftrag gegeben, das Figürliche trug Josef Kopp aus München bei, der wie sein gleichnamiger Vater hauptsächlich Bildhauer war: die Madonna und Josef in den Seitenaltären samt kleineren Figuren im Hochaltar. Zwar sind die Einzelformen der Gotik entnommen, doch bewahren sich die Altäre insgesamt einige Freiheit im Aufbau und folgen nicht völlig alten Modellen, was am Hochaltar schon durch den im Zentrum befindlichen Tabernakel nicht möglich war – links an der Wand ist noch die gotische Sakramentsnische erhalten, mit einem barocken Bild der Taufe Jesu gefüllt.

 

 

 

 


Kwürdigung6Ausmalung
Zum festlichen Eindruck dieser prächtigen Ausstattung trägt nicht zuletzt die bunte dekorative Raumausmalung bei, die 1985 rekonstruiert wurde und ihrerseits mittelalterlichen Vorbildern folgt, wenngleich sich diese nur in geringer Zahl und heute nicht mehr so farbstark erhalten haben. Gemeinsam ist beiden Epochen etwa die Imitation kostbarer Stoffbehänge an den Wänden des Presbyteriums. Im Schiff ist dagegen Quadermauerwerk angedeutet. Laut Archivalien übernahm die Firma Port auch die Raumausmalung; es herrschte hier generell Arbeitsteilung, so dass Kunstmaler wie Schleibner nur szenische Bilder ausführten.

 

 

kwürdigung7 Buntglasfenster
Einen wertvollen Bestandteil der so einheitlich erhaltenen neugotischen Ausstattung bilden auch die Buntglasfenster im Chor mit Silvester (im Zentrum) und den Patronen der Kirchen in Oberdorf (Sebastian) und Tegernbach (Stephanus). Die 1870 gegründete Münchner Firma Franz Xaver Zettler war Garant für höchste Qualität und international renommiert, weshalb sich eine Vielzahl von Werken weit gestreut erhalten hat. Farblich dezenter und auf Medaillons beschränkt sind die Glasbilder der übrigen Fenster: im Langhaus Symbole aus dem alten und neuen Testament, im Chor südlich zwei thematisch zusammengehörige Bilder eines ins Horn blasenden Engels mit Jagdhunden und der Jungfrau mit dem Einhorn. Dies nimmt Bezug auf eine Darstellung, die in Mitteldeutschland (vor allem in Erfurt) im 14./15. Jh. beliebt war und hiermit allegorisch auf die Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria hinwies (ein Einhorn findet sich nach der Legende nur bei einer Jungfrau).

 

 

Resümee

Die so umfangreiche und qualitätvolle, 1985 vorbildlich wiederhergestellte neugotische Zier und Ausstattung sichert Mittelstetten den ersten Rang unter den entsprechenden Gestaltungen im Landkreis. An zweiter Stelle ist Malching zu nennen, wo die Fenster neugotisches Maßwerk besitzen und im Chorgewölbe einer der beliebten Sternenhimmel gemalt ist. Die Ausstattung dort ist ca. 10 Jahre vor der in Mittelstetten entstanden, was sich auch formal bemerkbar macht, und stammt von der Brucker Firma Sebastian Steiner, die in lokal begrenzterem Radius tätig war. Beide Orte erfuhren nach 1980 eine umfassende stilreine Wiederherstellung ihres Kirchenraums, was eine Periode der Geringschätzung und Dezimierung historistischer Sakralkunst korrigierend beendete.

Hans Christian Ries (Kunsthistoriker), Sept. 2022

 

Die Kirchenglocken in St. Silvester  Link

In der Pfarrkirche St. Silvester in Mittelstetten hängen drei Bonze-Glocken. Die größte ist der Hl. Maria gewidmet (gegossen 1950), die beiden anderen dem Hl. Sylvester und dem Hl. Josef (gegossen 1949).

Alle drei wurden von der Glockengießerei Czudnochowsky aus Erding gegossen. Der Glockenstuhl ist aus Stahl. Die Joche sind aus Eichenholz.